Sonntag, 22. Oktober 2017

Gastbeitrag: Was ist in Myanmar los? Über die wahren Hintergründe werden wir massiv getäuscht

Schon seit einigen Jahren - seit Ende August 2017 nun massiv - berichten Nachrichten-Medien eindringlich und dramatisch über die gewaltsame Vertreibung der moslemischen Minderheit der Rohingya aus der burmesischen Grenzprovinz Rakhine (auch Arakan genannt) durch die Armee Myanmars (Burmas). Fast immer wird dabei betont, dass auch Teile der buddhistischen Bevölkerung sowie buddhistische Mönche sich daran in Wort und Tat beteiligen. Dass die Buddhisten dieser Region jedoch vor den Angriffen der islamischen Terrororganisation „Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) in die andere Richtung fliehen, wird hierbei nicht erwähnt. Besonders scharf wird inzwischen die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wegen ihres (angeblichen) Schweigens zu den Vorgängen angeprangert und bereits die Aberkennung ihres Nobelpreises gefordert. (Gegenüber dem Friedensnobelpreisträger und US-Präsidenten Barack Obama, der während seiner gesamten 8-jährigen Amtszeit ständig mehrere Kriege führte, eine Vielzahl von Menschen durch ferngelenkte Drohnen töten und das Folterlager Guantanamo, entgegen seinem Wahlversprechen, weiter bestehen ließ, wurde diese Forderung nie erhoben!) 

Ohne Zweifel gibt es in Burma (und in anderen asiatischen Ländern) auf buddhistischer Seite seit einigen Jahren einige inzwischen sehr einflussreich gewordene Mönche, die eine unakzeptable, hasserfüllte rassistische Hetze und pauschale Demagogie gegen sämtliche Moslems betreiben. (Solche Leute haben wir aber auch massenhaft in Deutschland, auch unter Christen und leider auch unter Buddhisten und sogar im Dachverband, der DBU. Wir schauen aber geflissentlich weg). Dass die Mehrheit der burmesischen Bevölkerung und die Mehrheit des burmesischen Mönch- und Nonnen-Sangha dem aber nicht folgen, dass sich die nationale Sangha-Leitung und eine Vielzahl von prominenten Mönchen, Dhamma- und Vipassana-Lehrern davon ausdrücklich distanziert haben, wird in der weltweiten Berichterstattung und insbesondere im Westen mit keinem Wort erwähnt. Auch in unseren Medien herrscht so pauschale einseitige Verurteilung. Ja, es muss gesagt werden, dass die Vorgänge in Myanmar und Bangladesh in den westlichen und insb. deutschen Medien auf eine geradezu extrem einseitige, verfälschende und den Buddhismus pauschal diffamierende Weise dargestellt werden. 

Während es in der westlichen Welt seit 20 Jahren ständig zu schlimmsten mörderischen Terrorangriffen gegen unschuldige Menschen durch islamistische Fundamentalisten kommt und die Medien seit dem 11.9.2001, was Religion betrifft, nur noch das Thema Islam, Islam, Islam kennen und hier seither pausenlos über die Integrierbarkeit des Islam in die aufgeklärte westliche Kultur und Gesellschaft gestritten wird, wird eine Auseinandersetzung über genau dieselbe Problematik den buddhistischen Ländern und Menschen Asiens nicht zugestanden und nun ein ausgesprochen scheinheiliger Betroffenheits- und Solidaritäts-Medienhype gegenüber den sehr, sehr weit entfernten Flüchtlingen zelebriert. Zugleich ertrinken täglich vor den Mittelmeerküsten Europas Hunderte bis Tausende Flüchtlinge, vegetieren Millionen Syrer und Iraker in türkischen, arabischen und afrikanischen Flüchtlingslagern vor sich hin, Menschen in großer Not, die Europa nicht haben will. Und „Abschiebung“ ist längst zum liebsten Wort vieler Deutscher geworden. Was für eine schamlose Doppelmoral.

Auch ist nichts davon zu hören, dass die seit Jahren zunehmenden Spannungen zwischen Moslems und Buddhisten in ganz Asien mit der barbarischen Zerstörung der einzigartigen historischen Buddhafiguren, Mönchshöhlen und Wandmalereien von Bamiyan in Afghanistan und von Tausenden „griechischen“ Buddhafiguren im Nationalmuseum von Kabul durch die (von Saudi-Arabien finanzierten und gesteuerten) Taliban begonnen haben. Auch nichts davon, dass Al Quida schon seit Jahren terroristische Aktivitäten in Burma und anderen buddhistischen Ländern plant, dass in zahlreichen islamischen Ländern Asiens seit langem fanatische und hasserfüllte Demonstration mit dem Verbrennen von Bildern und Fahnen gegen Burma, Aung San Suu Kyu und den Buddhismus stattfinden. Auch nichts davon, dass die Minderheit der ca. 1 Million Theravada-Buddhisten in Bangladesh (wohl die älteste buddhistische Sangha der Welt) schon seit der Unabhängigkeit des Landes aufs schwerste unter der Diskriminierung, Verfolgung und Vertreibung durch die moslemische Mehrheit und Regierung zu leiden hat und vor ihrer Auslöschung steht. Siehe dazu: www.buddhanetz.org (Aktuelles) und http://paritosh-chakma.blogspot.de/2012/10/the-buddhist-world-erupted-in-protests.html

Die Hintergründe und Ursachen für die derzeitige, zweifelslos furchtbare und für Praktizierende der Lehre des Buddha nicht zu rechtfertigende, antimuslimische Propaganda und Hetze mit zahlreichen schlimmen Gewaltereignissen von buddhistischer Seite gegenüber Menschen anderer Ethnie und Religion habe ich versucht, bereits vor ein paar Jahren in einem Aufsatz unter dem Titel „Burma im Zwiespalt - zwischen Demokratie und Nationalismus“ aufzuzeigen. Er wurde im September 2013 in der Zeitschrift „Ursache und Wirkung“ abgedruckt und ist auch auf meiner Internet-Homepage zu finden: http://www.buddhanetz.org/aktuell/zwiespalt.pdf Ebenso hier im Anhang.

Dass die Probleme und Ereignisse jedoch weit komplexer und weniger einseitig verursacht sind, sollen nachfolgend nochmal drei, für ihre Unparteilichkeit (was Islam und Buddhismus betrifft) verlässliche Quellen zeigen. Hier ein aktuelles Radiointerview des Deutschlandfunks mit dem Asienexperten und evangelischen Theologen Hans Bernd Zöllner aus Hamburg (er lebt seit vielen Jahren in Burma). „Die Buddhisten haben Angst, von Muslimen verdrängt zu werden"  http://www.deutschlandfunk.de/myanmar-buddhisten-haben-angst-von-muslimen-verdraengt-zu.886.de.html?dram:article_id=395675

Zum anderen zwei Beiträge des Völkerkundlers und Journalisten Peter Mühlbauer vom 9.9.2017 aus der seit Jahren von Vielen für ihre gründlich recherchierten Hintergrundberichte sehr geschätzten Nachrichten-Plattform Telepolis (Heise-Verlag) mit dem Titel: „Aung San Suu Kyi kritisiert ‚Fake News‘ über Konflikt in Rakhine“ 
https://www.heise.de/tp/features/Aung-San-Suu-Kyi-kritisiert-Fake-News-ueber-Konflikt-in-Rakhine-3825685.html 

Der Beitrag zeigt auf, wie sehr hinter diesen Unruhen – wie in so vielen anderen Fällen, die mit dem Islam zu tun haben – die weltweiten Machenschaften des radikalfundamentalistischen (wahabitischen) Islamismus Saudi-Arabiens zu finden sind und wie hierbei mit erfundenen und gefälschten Bildern und Nachrichten (fake news) weltweit Hass und Hetze gegen Buddhisten und Burmesen geschürt wird. Des weiteren der Beitrag: „Wird-Rakhine-der-neue-Kosovo“, der aufzeigt, wie in den Vorgängen in Myanmar eine Strategie wiederzuerkennen ist, die bereits in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das einstige Jugoslawien in seiner staatlichen Einheit zerstörte und viele Tausende Tote kostete (auch hier zog vor allem Saudi-Arabien die Fäden): 
https://www.heise.de/tp/features/Wird-Rakhine-der-neue-Kosovo-3827286.html 

Aber da gibt es noch weitere, sehr gut verstecke, bzw. verschwiegene Strippenzieher im Hintergrund. Der obigen Beitrag nennt den weltweit reichsten und gewissenlosesten US-Börsen-Spekulanten George Soros. Er ist aber nur eine Seite davon. Tatsächlich geht es bei dem ganzen Geschehen um den großen Konkurrenzkampf oder ökonomischen Krieg, der schon lange das globale Weltgeschehen am stärksten prägt, nämlich den Kampf zwischen den USA und China um den Zugriff auf die derzeit wichtigsten Rohstoffe und Energieträger: Erdöl und Erdgas. Eben diese beiden „Bodenschätze“ sind seit über 100 Jahren die wichtigsten und fatalsten Ursachen fast aller Kriege und Weltkriege. Und von Erdöl und Erdgas (und anderen Kohlenwasserstoffen) hat Burma vor seinen Küsten sehr viel, bisher kaum ausgebeutet (und das in Zeiten, wo beides zu Ende geht). Und so hat China in genau jener Region, um die es derzeit geht, bereits mächtig investiert und Pipelines nach China verlegen lassen, um diese Schätze auszubeuten. Mit diesen kann China auch seinen Öltransport aus den arabischen Ländern nach China um ein Vielfaches an Entfernung verkürzen. Und schließlich soll bei der Stadt Kyaukphyu – exakt der Hauptstadt des Rakhine-Gebietes – die mächtigste industrielle Sonderzone Myanmars, ja, eine der bedeutendsten ganz Südostasiens entstehen. Siehe Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Kyaukpyu 

Dasselbe Zugriffs-Interesse auf diese Reichtümer haben aber auch mächtige US-amerikanische Energie-Konzerne und Investoren wie z.B. George Soros (möglicherweise auch Saudi-Arabien dessen Ölreichtum zu Ende geht). Soros ist die Person, die schon seit vielen Jahren von der Verfolgung der Rohingya in Burma spricht und seit langer Zeit großes Interesse an „Veränderungen in Burma“ bekundet. Von ihm stammt auch der in diesem Zusammenhang inzwischen stereotyp wiederholte Satz, dass es sich bei den Rohingya um „die am meisten verfolgte Minderheit der Welt“ handele (was eine krasse Blindheit darstellt), Vor kurzem sprach er sogar vom „Holocaust“ an den Rohingya. Und Soros ist einer der mächtigsten Medienmogule und Meinungsmacher der westlichen Welt. Der folgende Beitrag aus der Internet-Tageszeitung „International Tech Times“ deckt diese letztlich wichtigsten Hintergründe der Sache klar auf. 
http://www.epochtimes.de/china/rohingyia-myanmar-soros-erdgas-und-china-soros-erdgas-und-china-das-verbirgt-sich-hinter-der-krise-in-myanmar-a2212852.html

Über all das hinaus werden die Vorgänge in Myanmar nun aber auch von interessierter Seite in Deutschland gezielt dazu benutzt, um den Buddhismus pauschal auf grobe Weise zu diffamieren. Hierbei tut sich schon seit Jahren der Berliner Religionswissenschaftler Hartmut Zinser, Professor am Institut für Religionswissenschaft der Freien Universität Berlin besonders hervor. Ihm (wie auch dem Münchner evangelischen Theologie-Professor Friedrich Wilhelm Graf) dienen die Ereignisse dazu, seine (ihre) schon lange verbreiteten Aussagen glaubhaft zu machen, dass sich der Buddhismus Asiens in nichts von der blutigen Gewaltgeschichte des Christentums unterscheide. (Wohl wissend, dass es dort nie gewalttätige Missionierung gab, nie Kreuzzüge gegen andere Religionen, nie grausame Ketzerverfolgung, Folter und Hexenverbrennung, nie einen buddhistischen Kolonialismus und nie einen gewaltsamen Widerstand oder gar Krieg gegen die Vertreibung und Vernichtung des Buddhismus aus Indien, Zentralasien, Indonesien usw.). 

In einer Sendung des Deutschlandfunks vom 17.6.2015 mit dem Titel: Rohingya in Deutschland, Die muslimische Minderheit aus Myanmar vernetzt sich“ heißt es: „Buddhismus und Gewalt – ist das nicht eigentlich ein Widerspruch?“ Der Religionswissenschaftler Hartmut Zinser: "Wenn man in Europa den Buddhismus als besonders friedfertig ansieht, dann macht man sich ein Wunschbild. Zwar sind die Lehren von Buddha friedfertig und er predigt Gewaltlosigkeit, aber der Buddhismus hat eine zweieinhalbtausendjährige Geschichte, die genauso von Blut und Schwert und Tränen gekennzeichnet ist wie das Christentum." In seinem kürzlich veröffentlichten Buch "Religion und Krieg" beschreibt Zinser wie Buddhisten die Anwendung von Gewalt  rechtfertigen: "Nach dem Buddhismus gibt es ja eigentlich kein Ich. Wenn es das Ich nicht gibt, weil es eine Illusion ist von Wahrnehmungsinstanzen, dann kann man es auch nicht töten. Das ist dann so, wie wenn Sie ein Spiegelbild erschlagen: Da erschlagen Sie auch das Nichts, und folglich sind Sie nicht an einer Sünde oder an einem Verbrechen beteiligt. Eine weitere Strategie ist, wenn man die Buddha-Weihe erhält, werden alle vergangenen Verbrechen gelöscht. Also holt man sich jährlich die Buddha-Weihe als Krieger. Da werden noch andere Sachen eingesetzt: die nationale Gemeinschaftsbildung. Aber die ist eben buddhistisch und da hat jemand anderes nichts zu suchen.“ http://www.deutschlandfunk.de/rohingya-in-deutschland-die-muslimische-minderheit-aus.886.de.html?dram:article_id=323374

Das ist eine geradezu unfassbar demagogische Verfälschung  der zentralen Lehre des Buddha von Nichtich (anatta) und Leerheit (sunyata), welche nicht eine Grundlage für das Recht auf Töten sondern für die Erfahrung von grenzenloser Verbundenheit und liebendem Mitgefühl mit allen empfindenden Wesen ist. Das zentrale ethische Grundprinzip des Buddha, das hier wie für die Vorgänge in Asien gilt, unterschlägt Zinser darum auch vorsätzlich (wie kann eine solche Person Prof. für Religionswissenschaft an einer der bedeutendsten Universitäten Deutschland sein?) 

Hier zur Erinnerung: Der erste Satz der pañca sila heißt: Pānātipata veramanī sikkhāpadam samādiyāmi – „Kein lebendes Wesen zu töten oder zu verletzen, diese Übungsregel nehme ich auf mich.“

Hören wir damit auf, uns von bestimmten unheilsamen Interessen so massiv täuschen und diffamieren zu lassen.

siehe auch:
- Myanmar: "Buddhisten haben Angst, von Muslimen verdrängt zu werden" (Hans Bernd Zöllner im Gespräch mit Monika Dittrich, Deutschlandfunk, 30.09.2017)
- Aung San Suu Kyi kritisiert "Fake News" über Konflikt in Rakhine (Peter Mühlbauer, Telepolis, 09.09.2017)
- Wird Rakhine der neue Kosovo? (Peter Mühlbauer, Telepolis, 12.09.2017)
- Soros, Erdgas und China: Das verbirgt sich hinter der Krise in Myanmar (Epoch Times, 10.09.2017)
- Burma im Zwiespalt – Zwischen Demokratie und Nationalismus (Franz-Johannes Litsch, Engagierter Buddhismus, September 2013, PDF)

Franz Johannes Litsch

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