Samstag, 23. August 2014

Ukraine 18 – Putin als Projektionsfläche für die deutsche Sehnsucht nach dem »Starken Mann«?

Tomasz Konicz hat auf Telepolis (23.08.2014) eine Antwort auf auf den Artikel der Putin-Versteher Mathias Bröckers und Paul Schreyer in Form eines dreiteiligen Artikels (Die Guten und die Bösen, Telepolis, 18.08.2014) über die deutsche Wahrnehmung der Person Wladimir Putins geschrieben:
- Sehnsucht nach dem "Starken Mann"
Wladimir Putin als Projektionsfläche autoritärer deutscher Fantasien 
Was machen Deutschlands Meinungsmacher, wenn sie merken, dass ihre Möglichkeiten, Meinungen in der Bevölkerung zu produzieren, immer weiter erodieren? Sie schieben selbstverständlich Wladimir Putin die Schuld dafür in die Schuhe.
Angesichts des klaffenden Abgrunds zwischen Leitartikel und Kommentarspalten bei der Haltung zur Krise in der Ukraine sah die Süddeutsche Zeitung sich veranlasst, gegen eine Armee von "Putin-Trollen" zu Felde zu ziehen: Hunderte von bezahlten "Manipulatoren" versuchten, "weltweit die Meinung in sozialen Netzwerken und in Kommentar-Bereichen wie auch bei Süddeutsche.de im Sinne des Kreml zu beeinflussen", klagte die SZ im Juni.
Zitat:
Dieser Abgrund zwischen den tatsächlichen Vorgängen in der Ukraine und der primitiven antirussischen Propaganda in deutschen Massenmedien hat gerade zur breiten Opposition gegenüber der westlichen Interventionspolitik in der Ukraine, sowie zurEmpörung über diese platte Propagandakampagne in weiten Bevölkerungsschichten beigetragen. Deutschlands Meinungsmacher haben sich bei ihrer Berichterstattung weitgehend selbst diskreditiert - der Vertrauensverlust gegenüber den Massenmedien ist kein Werk von "Putin-Trollen", er ist in den Redaktionsstuben "hausgemacht" worden. 

- Kalter Krieg oder Neoimperialismus? 
Wir wissen nun: Der deutsche Putinfan wünscht sich von der Politik vor allem gute Showeinlagen und hält Menschenrechte für eine kulturelle Marotte des "Westens". Zudem scheint es der Fangemeinde des russischen Präsidenten, als ob der "Kalte Krieg" nie so richtig zu Ende gegangen sei. Der "verfrüht beendet" geglaubte Kalte Krieg erlebe in der Ukraine eine "Neuauflage", die wiederum mit Stellvertretern ausgefochten werde, schreiben die Autoren in ihrer Einleitung. Ein "Kalter Krieg" setzt ja bekanntermaßen die Existenz zweier unterschiedlicher Gesellschaftssysteme voraus, wie das System des sowjetischen Staatssozialismus und das des westlichen Kapitalismus. Da Russland sowohl auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene eindeutig Teil des kapitalistischen Weltsystems und mit diesem eng verflochten ist - welchen Sinn würden sonst die aktuellen Wirtschaftssanktionen machen? -, würde diese Aussage nur dann einen Sinn machen, wenn man die Ideologie Moskaus und des Westens für bare Münze nehmen würde - Menschenrechtsimperialismus gegen den russischen Traditionalismus. 
Zitat:
Tatsächlich war die Ukraine schon nach dem Krisenausbruch 2008 wirtschaftlich stark angeschlagen. Das Land befand sich Anfang dieses Jahres aufgrund zunehmender Leistungsbilanzdefizite am Rande einer Staatspleite, was Janukowitsch dazu nötigte, sich zwischen einer Einbindung in die russische oder die europäische Einflusssphäre zu entscheiden (Ukraine am Abgrund). Und selbstverständlich spiegelt sich in der nun anbahnenden ukrainischen Tragödie die objektive Systemkrise des kapitalistischen Weltsystems, das aufgrund permanent voranschreitender Produktivitätssprünge an eine innere Schranke seiner Reproduktionsfähigkeit stößt und eine ökonomisch "überflüssige Menschheit" auf globaler Ebene produziert. Die Ukraine stellte somit schon vor dem westlich gesponserten Regierungsumsturz einen sozioökonomischen Leichnam dar, um den die neoimperialen Geier aus Ost und West kreisten. Die westliche "Verschwörung" zum Sturz Janukowitsch konnte nur deswegen erfolgreich sein, weil die Ukraine in eine Phase krisenbedingter Instabilität eintrat.

Für die Putinfans wie auch die russische Propaganda stellen somit US-amerikanische Verschwörungen die Triebkraft der überall um sich greifenden Kriege und Krisen, und nicht die eskalierenden inneren Widersprüche des Spätkapitalismus. Dieser Verschwörungsglaube mündet folgerichtig in einen Antiamerikanismus, der in den USA den Urquell aller derzeitigen Krisen und Verwerfungen sieht. 

- Neudeutscher Alternativimperialismus 
Unstrittig ist, dass die Vereinigten Staaten seit der Erlangung ihrer Stellung als Welthegemon in zahllosen Kriegen und Interventionen die breiteste Blutspur in der Weltgeschichte nach 1945 hinterlassen haben. Doch ist diese Stellung der USA als globale Hegemonialmacht, die der "unsichtbaren Hand" des Weltmarktes immer wieder mit der eisernen Faust ihrer Militärmaschinerie zum Durchbruch hilft, nicht neu. Seit seiner Ausbildung des kapitalistischen Weltsystems haben immer wieder Großmächte die Stellung einer Hegemonialmacht erobert; dies ist ein konstitutionelles Merkmal des Kapitalismus. Vor den USA hatte beispielsweise Großbritannien diese Stellung inne, und die britische Kolonialpolitik gegenüber Indien war nicht weniger massenmörderisch als etwa der Krieg der USA in Vietnam.
Zitat:
Somit finden alle möglichen politischen Kräfte in der Bundesrepublik in Russland ihre Projektionsfläche. Der orthodoxe deutsche Kommunist freut sich, wenn sowjetische Fahnen am 8. Mai in Moskau wehen, während der Nazi sich für einen Ideologen wie Alexander Dugin erwärmen kann, der einen erzreaktionären Kulturalismus predigt und gemeinsam mit Mathias Bröckers die Menschenrechte für "westliche Wertvorstellungen" hält. Die Vermischung alter sowjetischer Ästhetik mit stockkonservativer Politik in Russland macht diese breite, spektrumsübergreifende Identifikation mit Putin hierzulande erst möglich. Deswegen bildete die Ukraine-Krise auch die Initialzündung, mit der Tendenzen zur Bildung einer Querfront zwischen "linken" und rechten Kräften in Deutschland im Rahmen der sogenannten Montagsdemos aufkamen (Gemeinsam gegen Rothschild?).


Ich bin mit diesem Artikel nicht besonders glücklich. Er ähnelt einem Kommentar, der sich krampfhaft um Ausgewogenheit bemüht und deshalb meint, nach allen Seiten austeilen zu müssen. Was mich bewogen hat, überhaupt mit meinen Posts über die Ukraine zu beginnen, war die unverblümte Unausgewogenheit der »Bericht«-erstattung in den deutschen Medien. Zum einen war in den meisten Fällen zwischen Nachrichten und deren Interpretation nicht zu unterscheiden, zum anderen entsetzten mich die reflexhaften und borniert von jeglicher Selbstreflexion freien Schuldzuweisungen an Russland. 
Wo in unseren Leitmedien ist zuzm Beispiel Kritik geübt worden an der äußerst langwierigen Untersuchung der russischen Lastwagenkolonne? Einer der Kommentatoren des Artikels fragte: »Fünf Lastwagen am Tag? Wonach haben die denn gesucht? Nach Higgs-Bosonen?« Wo beklagen sich Spiegel oder Zeit darüber, dass der russische Konvoi so langsam abgefertigt wird? Aber nun, da Putin die Zeit zu lang wurde und der Convoy einfach losgefahren ist, wird nur über Taktik reflektiert.

- Russischer Hilfskonvoi fährt ohne Eskorte des Roten Kreuzes in die Ukraine (Telepolis, 22.08.2014)
Das Komitee berichtet, die kämpfenden Parteien hätten keine ausreichenden Sicherheitsgarantien gegeben. Kommt es nun zur Konfrontation?
Zitat:
Man darf davon ausgehen, dass Kiew den Start des Konvois möglichst lange zu verhindern oder hinauszuziehen versuchte. Da die ukrainischen Streitkräfte derzeit gegenüber den Separatisten trotz großer Verluste erfolgreich zu sein scheinen, würde der weitere Vormarsch gefährdet, da eine Einstellung der Kämpfe notwendig wäre. Das würde den Separatisten zugute kommen, zudem wäre die russische Hilfslieferung natürlich auch eine Propaganda für die prorussischen Separatisten. 

Jeder halbwegs intelligente Mensch wird sich bei der Einseitigkeit der Berichterstattung in den deutschen Medien nach dem Grund dieser Einseitigkeit fragen. Jeder halbwegs intelligente Mensch wird sich fragen: warum wird über die angeblich in die Ukraine eingedrungenen 23 gepanzerten russischen Fahrzeuge berichtet und nicht darüber, dass das anscheinend eine Ente war? Keine der Fragen, die sich ein halbwegs intelligenter Mensch stellt, wurde von unseren Leitmedien zufriedenstellend beantwortet. Jeder halbwegs intelligente Mensch fragt sich: Warum machen wir da unten in der Ukraine überhaupt rum? Jeder halbwegs intelligente Mensch fragt sich: Warum stellen sich unsere Medien diese Fragen nicht?
Und jeder intelligente und interessierte Mensch, der in den Leitmedien keine zufriedenstellende Antwort findet, begibt sich auf die Suche im Internet.


Zbigniew Brzezinski: Die graue Eminenz der US-Politik - Monitor 21.08.2014 - die Bananenrepublik [8:26]

Veröffentlicht am 22.08.2014
Bananenrepublik auf http://www.facebook.com/Stimmbuerger - Google+: https://plus.google.com/u/0/106701079... und https://twitter.com/Stimmbuerger Quelle: http://www1.wdr.de/daserste/monitor/s...
Zweiter-Upload-Kanal: http://www.youtube.com/user/Bananenre...
Backup-Kanal: http://www.youtube.com/user/diebanane...


mein Kommentar: 
endlich mal wieder was Vernünftiges und Kritisches aus den Öffentlich-Rechtlichen!

Zitate aus dem MONITOR-Bericht: 
NATO-Generalsekretär Rasmussen (02.07.2014):
»In den letzten fünf Jahren hat Russland seine Verteidigungsausgaben um 50 Prozent erhöht, während die NATO-Staaten im selben Zeitraum ihre Verteidigungsausgaben um durchschnittlich 20 Prozent gekürzt haben.«

Militärausgaben laut SIPRI
(Bildschirmphoto)
Sprecher Monitor: »Allein diese vier NATO-Länder [Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA] hatten im letzten Jahr das Neunfache [896 mio US $] an Militärausgaben im Vergleich zu Russland.«

siehe dazu auch:
- Rasmussen plant superschnelle Nato-Eingreiftruppe... (Telepolis, 27.08.2014)
...und neue Militärbasen in Osteuropa: "Die Quintessenz lautet: Sie werden in Zukunft mehr Nato-Präsenz im Osten sehen" 
Der Nato-Gipfel, der nächste Woche, am 4. und 5. September, in Wales stattfinden soll, wird von der britischen Regierung angekündigt wie eine Show mit internationalen Stargästen - "President Obama, Chancellor Merkel, and President Hollande" - und einem Spruch, der Anklänge an das Intro eines Kampf-der-Imperien-Films hat:  "Der Gipfel ist eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass die Nato weiterhin an der vordersten Front operiert, um Stabilität in einer unvorhersehbaren Welt aufzubauen." 
Auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen greift vor seinem Abschied, den er gegenwärtig in mehreren Interviews mit dem Bemühtsein um große Perspektiven zelebriert, zu globalen Action-Wörtern: "Wir stehen nun einem profunden Klimawechsel gegenüber. Das braucht mehr Investition." Darunter versteht Rasmussen einen " readiness action plan", wie er dem Guardian gegenüber erklärte.

Mein Kommentar:
Wie westliche Politiker nach dem Debakel in Afghanistan, den 1,5 Millionen Toten im Irak und dem Auftauchen von ISIS davon reden können, die Nato baue Stabilität in einer unvorhersehbaren Welt auf, ist mir unbegreiflich. ISIS wir vorgeworfen, mit unvorstellbarer Grausamkeit zu agieren. War dann die flächendeckende Anwendung von Agent Orange in Vietnam humaner? Sind die 1,5 Millionen Iraker dann ganz zivilisiert getötet worden? Ist der 50minütige Todeskampf eines zu Tode Verurteilten in den USA denn humaner als die Abschlachtung des Journalisten James Foley
Für wen ist denn die Welt unvorhersehbar? Für den als rechts konservativ eingestuften verstorbenen Journalisten Peter Scholl-Latour, der dem Afghaistan-, dem Irak-Krieg und dem arabischen Frühlung von vorneherein äußerst skeptisch gegenüberstand? Oder für US-Präsidenten wie George W. Bush – und inzwischen auch Friedensnobelpreisträger Barack Obama –, die den Terrorismus ausmerzen wollen, aber anscheinend keine Ahnung haben, wie er zustande kommt?
Das westliche Wirtschaftssystem hält die Welt im Würgegriff!
siehe dazu: Jean Ziegler, ein wahrhaftiger Mensch (Post vom 10.09.2013)

Jeder halbwegs intelligente und interessierte Mensch stellt sich angesichts der Zustandes unserer Medienlandschaft die Demokratiefrage. Und genauso wie sich unsere Politiker jetzt wieder bei der ISIS-Frage durchwursteln (Helmut Schmidt: »muggling through«), habe ich in den letzten Jahren zunehmend das Gefühl, dass sich unsere Politiker immer häufiger einfach nur noch durchwursteln. (Ganz konkret: Wieviele Meldungen und Diskussionen findet man, in der gefragt wird: Was sollen wir tun? Wem sollen wir wieviele und welche Waffen geben? Und in wievielen Sendungen oder Artikeln stellt sich jemand die Frage, was die Leute da eigentlich wollen und warum?) Die Demokratiefrage zu stellen bedeutet aber nicht – und diesen Schluss zieht Konicz –, gegen Demokratie zu sein.
Konicz glaubt zu wissen, der deutsche Putin-Fan wünsche »sich von der Politik vor allem gute Showeinlagen«, hielte »Menschenrechte für eine kulturelle Marotte des ›Westens‹« und glaube, der »Kalte Krieg« sei nie so richtig zu Ende gegangen.

Da, gebe ich zu, trifft er mich vielleicht: ich bin im Verlauf des Ukraine-Konflikts zu einem Putin-Fan geworden (ich denke, er regiert ein unregierbares Land und sieht sich einer gefährlichen Krake – in der Gestalt des militärisch-industriellen Komplexes der USA – gegenüber), glaube, daß der Westen selbst die von ihm propagierten Menschenrechte unangenehm häufig mit Füßen tritt, freue mich über »Show-Einlagen«, die die Propaganda aus Kiew und der NATO demaskieren und frage mich angesichts der US-amerikanischen Politik der letzten 50 Jahre inzwischen tatsächlich, ob der »Kalte Krieg« jemals zu Ende war. Aber genauso wenig, wie ich mir angesichts meiner Kritik am seit über 60 Jahren andauernden repressiven Verhalten der Israelis den Palästinensern gegenüber Antisemitismus unterstellen lasse, habe ich keine Lust, mir Antiamerikanismus unterstellen zu lassen. (Warum wird man in Deutschland, wenn man das Verhalten der Israelis, der Amerikaner oder von Ausländern kritisiert sofort in die »Anti«- oder die -»feindlich«-Schublade gesteckt?) Das Konicz zum Ende seines Artikels noch den Schwenk zu den inneren Widersprüchen des Spätkapitalismus schafft, rettet diesen holprigen Artikel nicht wirklich…

Heute vor 1380 Jahren – 23. August 634: Omar I. begründet das islamische Reich

Die Nachfolger des Propheten 

Mit der Lehre des Islam hatte der Prophet Mohammed die arabische Welt revolutioniert. Als er 632 in Medina starb, war die Arabische Halbinsel im Zeichen Allahs geeint. Doch Mohammed hatte keine direkten männlichen Nachkommen. Wer sollte sein Nachfolger werden? Seine engsten Vertrauten wählten Abu Bakr, an Mohammeds Sterbebett das Gebet zu führen. Abu Bakr nahm den Titel »Kalif« an: Das Wort bedeutet sowohl »Nachfolger« als auch »Stellvertreter« (Allahs). 
»Die vier rechtgeleiteten Kalifen« (Osmanische Miniatur, 16. Jh.)

Schon zwei Jahre später folgte Omar I. (592-644) als zweiter Kalif. Unter seiner Regentschaft stiegen die Araber in die Reihe der Großmächte auf. Die Heere Omars eroberten Persien, Syrien und Ägypten. Es entstand ein Reich, in dem der Kalif im Namen Allahs die Gemeinschaft der Muslime politisch und religiös regierte. Mit den unterworfenen Völkern wurden Verträge geschlossen, die die Verwaltung des riesigen Herrschaftsgebiets möglich machten. Den Christen wurde die Ausübung ihrer Religion gestattet, solange sie die Oberherrschaft des Kalifen anerkannten. 

Was am 23. August noch geschah: 
1990: Die Volkskammer der DDR beschließt mit großer Mehrheit den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland. 
 Harenberg – Abenteuer Geschichte 2014