Samstag, 13. Dezember 2014

Ein Verstehens-Modell zur medial ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen den USA und Rußland

Die USA werfen Rußland wieder etwas vor, diesmal geht es um den angeblichen Bruch des INF-Vertrags. (Pentagon droht mit der Stationierung von mehr Atomwaffen in Europa, Florian Rötzer, Telepolis, 13.12.2014) Wie bei der Krim-Annexion müßte man sich jetzt in die Materie einarbeiten, um zu dem Vorwurf fundiert Stellung nehmen zu können. Wer tut das schon?
Auch zu der Aussage, die Absetzung des ehemaligen ukrainischenPräsidenten Wiktor Janukowytsch am 22. April 2014 sei illegal, wäre ein tieferes Eindringen in die Materie nötig, um dazu Stellung zu beziehen.
Was immer man sich jetzt als Beispiel herausgreift: die Entscheidung darüber, ob eine Aussage richtig oder falsch ist, macht die Aneignung von Wissen erforderlich, und die macht Arbeit und kostet Zeit.
Angebliche französische Dum-Dum-Geschosse auf einer deutschen Kriegspropaganda-Postkarte, 
um 1916 [Teilmantelgeschoß, Wikipedia]
Welch einen gigantischen Aufwand hätte ein normaler Bürger 1916 auf sich nehmen müssen, um die Aussagen, die auf obiger Postkarte getroffen werden, zu überprüfen! Da ist es einfacher, diese Aussagen zu glauben, was natürlich beinhaltet, auch der deutschen Regierung zu glauben. 
Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Bedürfnis nach Komplexitäts-Reduktion, welches zwangsläufig zu der Tendenz führt, dem System, innerhalb dessen solche Informationen verbreitet werden, glauben zu wollen.

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Ein Ausflug in die systemische Therapie (Zitate aus von Schlippe, Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung, Hervorhebungen – fett – von mir)
Für einen Beobachter scheinen die Kommunikationen oft nicht Reaktion auf eine vorhergehende Aussage zu sein. Sie werden vielmehr durch die Erwartungsstrukturen bestimmt, die sich im Lauf der Zeit herausgebildet haben. Dieses Phänomen wurde bei Bandler et al. 1987 als »geeichte Kommunikation« bezeichnet: Eine Person B reagiert auf das kommunikative Angebot ihres Gegenübers A nicht »sinnvoll« (aus der Sicht eines Beobachters), sondern sie greift einen Teilaspekt aus diesem Angebot heraus und ergänzt diesen vor dem Hintergrund der eigenen Erwartungsstrukturen.

- »Was haben Sie wahrgenommen?«
- »Wie mein Mann mich angeguckt hat, wußte ich schon Bescheid!«
- »Haben Sie gehört, was er gesagt hat?«
- »Nein, mir ist sowieso klar, was er sagen würde, wenn er so guckt!«

Einer Kommunikation wird schon im Ansatz die bereits erwartete Deutung zugeordnet. Reagiert wird nicht mehr auf das Geäußerte, sondern auf das Erwartete.
[…]
Wenn ein Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven unterschiedlich gesehen werden kann und die unterschiedlichen Perspektiven zu unterschiedlichen Konsequenzen, Urteilen, Entscheidungen führen, dann verliert die Sache selbst zunehmend an Bedeutung: »Statt dessen verlagert sich das Interesse auf die Art und Weise, wie soziale Gruppen die Sache sehen, benennen und kategorisieren … Meine Depression ist demnach nicht mehr ein Stück von mir; sie entsteht aus der Art und Weise meiner Beziehung zu anderen. Es ist ›unsere‹ Depression; ich bin nur ihr Träger.«
[…]
Bereits die Beschreibung eines Gegenstandes aus mehreren Perspektiven ist Dekonstruktion, aber auch die Suche nach den scheinbar nebensächlichen Details, die einer Geschichte, wenn sie aufgegriffen werden, eine andere Wendung geben können. Dekonstruktion erlaubt, darüber nachzudenken, welche Geschichte sich hinter einer dominierenden Erzählung verbirgt: wo liegt alternatives Wissen, welche Gesichtspunkte wurden ausgelassen, unterdrückt?
[…]
Wirklichkeit kann nie losgelöst gesehen werden von ihrem Betrachter. Das heißt nicht, daß es keine Realität »an sich« gäbe, daß es aber sinnlos ist, von ihr zu sprechen, ohne den konstitutiven Prozeß zu berücksichtigen, der in der Wechselwirkung zwischen einem erfahrenden System und einem zu erfahrenden System liegt: »Systeme erkennen Systeme«. Die Frage, ob »Wirklichkeit« unabhängig vom erkennenden System existiert, ist müßig.
Kernfrage des Konstruktivismus ist, auf welche Weise wir aktiv an der Konstruktion unserer eigenen Erfahrungswelt Anteil haben. Wir sind darauf angewiesen, Konzepte, »Landkarten« über die Welt zu entwickeln, die uns das Zurechtfinden erleichtern. Es ist ein folgenschwerer Schritt, wenn man die Konzepte, die man sich konstruierte, um in der Welt Orientierung zu finden, mit der Wirklichkeit verwechselt (ein Kategorialfehler). »Bei unserer Wahrnehmung der Welt vergessen wir alles, was wir dazu getan haben, sie in dieser Weise wahrzunehmen« (Varela).
Castaneda, ein amerikanischer Anthropologe, der bei einem indianischen Heiler in die Lehre ging, schreibt: »Die erste Handlung eines Lehrers besteht darin, die Idee einzuführen, daß die Welt, die wir zu sehen glauben, nur eine Sichtweise, eine Beschreibung der Welt ist. Dies zu akzeptieren scheint eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt zu sein. Wir sind auf selbstgefällige Weise in unsere bestimmte Weltsicht verstrickt, die uns zu Empfindungen und Handlungen zwingt, als ob wir alles über die Welt wüßten. Ein Lehrer zielt von seiner allerersten Handlung an darauf ab, diese Sichtweise zu beenden. Hexenmeister nennen es die Beendigung des inneren Dialogs. Und sie sind überzeugt davon, daß es die wichtigste Technik ist, die ein Lehrling lernen kann« (Castaneda 1974).
Menschen leben nicht allein, sondern immer in sozialen Zusammenhängen. Was wir als »Wirklichkeit« bezeichnen, entsteht im Dialog, im Gespräch. Das, was wir für wirklich halten. haben wir in einem langen Prozeß von Sozialisation und Versprachlichung als wirklich anzusehen gelernt. Systeme konstruieren gemeinsame Wirklichkeiten als Konsens darüber, wie die Dinge zu sehen sind. Die gemeinsame Sichtweise davon, was als »Wirklichkeiten« in einem System erlebt wird, ist sehr weitgehend bestimmend für Glück oder Unglück, Zufriedenheit oder Unzufriedenheit. 
[…]
Die Aufgabe der Sprache sehen wir meist darin, Beschreibungen zu liefern, die sich an Begriffen wie Wahrheit, Objektivität und Realität messen lassen. Daß und in welchem Ausmaß Sprache jedoch gerade eine konstituierende Funktion für unsere Erfahrung von Wirklichkeit hat, müssen wir uns immer wieder ins Bewußtsein holen.
[…]
»Der Vater drangsaliert die Mutter. Die Treulosigkeit des Mannes bricht der Frau das Herz. Lotte wurde von ihren Schulkameradinnen wegen ihrer Pummeligkeit gehänselt und entwickelte daher eine Magersucht usw.‹ Also: Wenn immer wir überhaupt sprechen, wenn immer wir durch die Sprache bzw. ihre Grammatik vorgegebenen Linien folgen, ergeben sich Ursache-Wirkungsverknüpfungen, Erklärungen, Sinn und Realitätsbezug fast zwangsläufig wie von selbst« (Stierlin 1990, S. 267f).
[…]
Es wird eine Erklärung für das Problem gesucht, gefunden und ausgehandelt, die einerseits so plausibel ist, daß sie überlebt, die aber andererseits keinen gangbaren Ausweg aus dem Problem, keine Lösungswege anbietet. Einige Arten von Erklärungen mit Ausweglosigkeitscharakter eignen sich dafür besonders:
  • »Vergangenheit als Schicksal«: irreversiblen Ereignissen in der Vergangenheit wird ein determinierender, nicht mehr korrigierbarer Einfluß auf das aktuelle Problem zugeschrieben (z.B. »er ist an dieser Beziehung zerbrochen«);
  • Erklärungen, die komplexe zwischenmenschliche Probleme zur »Schuld« der individuellen Eigenschaften eines einzelnen Beteiligten versprachlichen, dem gleichzeitig die Fähigkeit oder der Wille zur Lösung abgesprochen wird (»ein böses Kind«);
  • »Wir sind alle zu klein und schwach«: alle Problembeteiligten sind hilflos, einer außenstehenden dritten Partei, auf die man aber keinen Einfluß zu haben glaubt wird die Lösungsmacht zugeschrieben. (»die da oben, die Gesellschaft, der Markt«)

Problemstabilisierendes Handeln 

Alle Beteiligten verhalten sich dauerhaft so, als ob es keinen Weg aus dem Problem gebe oder als sei die Lösung ausschließlich in der Hand irgendeiner anderen Person. Hier zeigt sich besonders deutlich die Kraft der Beschreibungen. In problemstabiliserenden Dauerbeziehungen werden darüber hinaus oft besonders stark symmetrische und komplementäre Beziehungsformen eingenommen, die sich wechselseitig verstärken und stabilisieren.
[…]
Ein Mensch in einer Paarbeziehung, der sich vom anderen Liebe wünscht, aber nicht glaubt, daß er sie je bekommen wird, wird Liebesangebote des anderen nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie seine Idee durcheinanderbringen würde, man müsse sich damit abfinden, daß man diese ohnehin nicht bekommt. Jugendliche lassen ihr Leben scheitern, weil sie aufgrund einer entsprechenden elterlichen Delegation (Stierlin 1980) diesen nicht zumuten wollen, ihr Kind erfolgreicher oder glücklicher als sie selbst werden zu sehen, oder weil sie ihnen die fürs Erwachsenwerden notwendige Trennung nicht zumuten wollen.
[…]
Ein Symptom weist auf eine ineffektive Lösung eines Problem hin,
  • ein Symptom hat eine Schutzfunktion und stabilisiert das System, in dem es die Aufmerksamkeit von anderen Konflikten im System abzieht,
  • ein Symptom verschafft Macht: der »Kranke« kann die Interaktionen in der Familie zwingend organisieren, ohne dafür zur Verantwortung gezogen werden zu können,
  • ein Symptom kann symbolisch und metaphorisch hinweisen auf andere Probleme in dem System.
(von Schlippe, Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung)
- bei GoogleBooks
Rezension bei SystemMagazin
- Rezension bei SocialNet

Ein systemisch arbeitender Therapeut sucht also nicht nach einer Wahrheit und nicht nach einer Lösung. (Wir Menschen sind so beschaffen, daß wir auf diesen Bananenschalen immer wieder ausrutschen!) Er versucht das Konfliktsystem zu verstehen, in dem er herauszufinden versucht, welchen Sinn es für das System und innerhalb des Systems macht, bestimmte Vorgänge auf eine bestimmte Weise zu interpretieren und zu kommunizieren. 


von Schlippe und Schweitzer betonen (Hervorhebungen von mir): 
Die daraus sich ergebende Frage lautet: Wie sehen Systeme aus, in denen die Prozesse der Einschränkung (»Trivialisierung«) die Mitglieder so sehr auf die Funktionsbedingungen des jeweiligen Systems hin ausrichten, daß nur noch wenig Spielraum bleibt, daß den einzelnen der Zugang zu ihrer »potentiellen Komplexität« fast ganz verlorengeht? 
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Ich versuche nun, ein Modell zu konstruieren und anzubieten, welches sowohl das Verstehen des Konflikt-Systems wie auch den Umgang damit erleichtern soll. Der aus der systemischen Therapie verwendete Kunstgriff besteht darin, nicht mehr nach einer Wirklichkeit zu fragen, sondern zu versuchen, das Beziehungsgeflecht zu verstehen. Damit macht man sich unabhängig von den Fakten als solchen und richtet seinen Blick einzig auf die Kommunikation zwischen den Parteien.
Die Grundfrage lautet: Wer erzählt welche Sachverhalte wie, und was könnte das über seine Position in dem Konfliktsystem aussagen?
Keine Sorge: Was zu Beginn hochkompliziert und schwer verständlich wirken mag, wird mit der Zeit recht schnell einfacher.

Als Ausgangsmaterial wähle ich drei Bilder:
1. Platons Höhlengleichnis
gefunden bei 1.1 Das Höhlengleichnis (B.O.RG. Schoren)

2. Das Gesetz der (verborgenen) Kausalität
Das Gesetz Kausalität, Merowinger in Matrix Reloaded [4:34]

Veröffentlicht am 25.08.2012
Die Figur Merowinger erklärt die Kausalität.


3. Kampf um die Deutungshoheit am Beispiel des PULS 4-Streitgesprächs vom 24.11.2014
Dirk Müller bei PULS 4 - 24.11.2014 [51:22]

Veröffentlicht am 25.11.2014
Ganze Folge vom 24.11.2014

Anmerkung: Man beachte die Bezeichnung für Dirk Müller in der nachfolgenden Beschreibung! Es wird gehetzt und diffamiert dass es dem Fass den Boden ausschlägt. Des weiteren wird hier überdeutlich NATO-Propaganda vom Journalisten des Standard.at betrieben.

Der Herr Eric Frey vom Standard.at, also der BLÖD-Zeitung Österreichs, zeigt hier wie tief im deutschsprachigen Raum der Journalismus (ein ehrenwerter Beruf) gesunken ist.

Gefährliches Halbwissen, verleumderische Behauptungen und Unwahrheiten gehen in gefährlicher Weise von diesem Herrn in die Wohnzimmer der Zuschauer.

Link zur Dokumentation zum Buch von Zbigniew Brzezinski:

https://www.youtube.com/watch?v=W9rr1...

Originalbeschreibung von der PULS4-Website:

Die Stimmung zwischen Europa und Russland ist so schlecht wie schon lange nicht. Seit der Ukraine-Krise hat sich das Verhältnis zwischen Europa und der Großmacht Russland in den letzten Monaten spürbar verschlechtert. Auf beiden Seiten verschärft sich die Rhetorik: Gegenseitig wirft man sich vor, den Konflikt anzuheizen.

Mit Corinna Milborn diskutieren unter anderem der ehemalige Grüne Europaabgeordnete Johannes Voggenhuber, "Putin-Versteher" Dirk Müller und "Standard"-Journalist Eric Frey.

Videoquelle: http://www.puls4.com/video/pro-und-co...

Nachschlag zur Puls-4-Diskussion

Warum die USA wenige Interessen in der Ukraine haben
BLOG | ERIC FREY
25. November 2014, 19:48

http://derstandard.at/2000008608873/W...

Hier noch der Wikipedia-Eintrag zu Herrn Eric Frey:

http://de.wikipedia.org/wiki/Eric_Frey

4. Die Radioreportage vom Kampf Max Schmeling gegen Joe Louis am 19.06.1936
- 02. Februar 2010 - Vor 5 Jahren: Todestag von Max Schmeling: Ein Jahrhundert-Deutscher (WDR, Stichtag, 02.02.2010)
Millionen Deutsche sitzen am 19. Juni 1936 gebannt an den Radioempfängern, es ist drei Uhr morgens. Sie verfolgen die Liveübertragung von einem Boxkampf im New Yorker Yankeestadion: Joe Louis gegen Max Schmeling. "I have seen something" – "Ich habe da etwas gesehen", hatte Max Schmeling kurz vor dem Kampf behauptet. Jedes Mal, wenn Louis seine kurzen, gefährlichen Haken schlägt, lässt er im Anschluss daran den linken Arm fallen. Schmeling nutzt die Chance und landet in der zwölften Runde eine seiner starken Rechten. Joe Louis, der kurz vor der Weltmeisterschaft steht und als unbesiegbar gilt, geht k.o. Eine Sensation in der Boxwelt: Die Wetten standen zehn zu eins für Joe Louis.
"Nehmen Sie zu Ihrem großartigen Erfolg meinen herzlichen Glückwunsch entgegen", telegrafiert Adolf Hitler. Und Joseph Goebbels schreibt: "Ihr Sieg ist ein deutscher Sieg. Wir sind stolz auf Sie." Mit 31 Jahren war Schmeling relativ alt, bis zum Sieg gegen Louis hatten die Nazionalsozialisten ihm nicht viel zugetraut. Jetzt nutzen sie ihn für ihre Propaganda: Der schwarze Amerikaner, der den demokratischen Westen repräsentiert, wurde geschlagen von Max Schmeling, dem weißen arischen Boxer. Sechs Wochen vor den Olympischen Spielen in Berlin bauen die Nazis ihn zum deutschen Vorzeigesportler auf.

- Schmeling vs. Louis – Jahrhundertkampf auf Schallfolie (Ralf Klee, SPIEGEL, 14.11.2007)
Max Schmeling gegen Joe Louis 1936 in New York. Ein Jahrhundertkampf. Die Rundfunkreportage über den K.o.-Sieg des Deutschen galt lange als verschollen. Ralf Klee hat die komplette Aufzeichnung entdeckt. Ein einzigartiges Sportdokument - und ein Beispiel für die rassistische Nazi-Progaganda.

Diese vier Bilder umkreisen folgende Situation:
Es geschehen Dinge, die wir nicht direkt sehen und die wir über Mittelsmänner Kenntnis erhalten. Die vermittelten Informationen sind gefärbt von den jeweiligen Interessen der Mittelsmänner. Aus den unterschiedlich gelagerten Interessen – sowohl der Handelnden wie auch der Berichtenden – entstehen Konflikte, was das Beschreiben und Verstehen von Geschehnissen anbelangt. Die Selbstverständlichkeit, mit der bestimmte Vorgänge verstanden und beschrieben werden, ist Teil der Identität sowohl der Handelnden wie auch der Berichtenden. Wir nehmen unsere eigenen Gefühle und Wertvorstellungen wahr und nehmen ebenfalls wahr, wie diese durch die unterschiedlichen Informationen und Deutungen beeinflußt werden.


Und jetzt benötigen wir noch eine Liste der Konfliktparteien:
  • ukrainisches Volk gegen Oligarchen
  • West- gegen Ost-Ukraine
  • Bandera-Bewunderer gegen Bandera-Gegner
  • Ukraine gegen Rußland
  • EU gegen Rußland
  • NATO gegen Rußland
  • USA gegen Rußland
  • Putin-Kritiker gegen Putin-Versteher
  • EU gegen USA
  • Leitmedien gegen Nachrichten-Kritiker
(die Liste ließe sich weiter fortsetzen)

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Jetzt endlich zum Modell:
Auf einem Boxring stehen zwei Personen, die eine blau, die andere rot gekleidet. Jede lenkt mit einer Fernsteuerung ein kleines Fahrzeug, ein rotes und ein blaues, die auf dem Boden des Boxringes irgendwie interagieren. Auf der Tribüne sitzen blau und rot gekleidete Menschen, die das Geschehen auf dem Boxring verfolgen. Manche sind etwas kurzsichtig oder werden von den Scheinwerfern geblendet, einige sitzen hinter Pfeilern, andere so nahe am Boxring, daß sie die kleinen Fahrzeuge nicht immer sehen. Und alle kommunzieren miteinander über das Geschehen: die kleinen Fahrzeuge geben sich Lichtsignale, die beiden Personen im Boxring reden miteinander und mit dem Publikum, das Publikum redet über das, was im Boxring geschieht.
Und wir selbst sind Marsianer und erst vor wenigen Tagen auf der Erde gelandet.
Wir haben keine Ahnung, was im Boxring vor sich geht, wandern im Raum herum, werden manchmal von den Scheinwerfern geblendet, befinden uns manchmal hinter Pfeilern und manchmal so nahe an der Bühne, daß wir die kleinen Fahrzeuge nicht sehen. 
Wir erhalten Nachrichten von allen im Raum Anwesenden und versuchen, uns zu orientieren. Wir hören Anklagen, Unterstellungen, Beschreibungen, Deutungen, Drohungen, Erklärungen, Rechtfertigungen, Klagen, Schimpfen usw. Wir nehmen Emotionen der Beteiligten wahr: Ärger, Wut, Empörung, Ratlosigkeit, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Angst, Besorgnis, Desorientierung, Durcheinander, Konkurrenz usw.

All diese Informationen versuchen wir einzusortieren, eingedenk der Tatsache, daß die sich daraus ergebenden Verstehensmodelle immer nur eine kurze Halbwertszeit haben. Wir nehmen wahr, daß bestimmte Informationen unser aktuelles Verstehensmodell infrage stellen oder ihm widersprechen oder es stützen. Wir merken, daß die rot und blau gekleideten Zuschauer untereinander ebenfalls streiten, wie bestimmte Vorgänge auf der Bühne zu verstehen sind und nehmen wahr, wie diese Zuschauer versuchen, uns von ihrer Sichtweise zu überzeugen.


Dabei berücksichtigen wir Folgendes:
Für den Therapeuten ist es von entscheidender Bedeutung, ob es ihm gelingt, sich aus dem Spiel herauszuhalten, denn »derjenige, der das Spiel mitspielt, hat es schon verloren (von Schlippe und Schweitzer, Hervorhebung von mir)

Dieser Satz erinnert beeindruckend an
Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. (Hans Joachim Friedrichs, Wikipedia)
Und dann beginnen wir Fragen zu formulieren. Als Beispiel nehme ich das Streitgespräch auf PULS 4 (s.o.):
  • Wer der Diskutanten hat in seinen Wortmeldungen besonders viele Zuweisungen verwendet?
  • Hat jemand sein Gegenüber zu entwerten versucht? Wer wen wie? Wie ging es mir als Zuschauer dabei?
  • Wer hat versucht, auf Hintergründe des Geschehens, über das dort diskutiert wird, einzugehen und diese zu erklären?
  • Bei welchen Äußerungen hatte ich das Gefühl: Jetzt habe ich etwas verstanden?
  • Wer war mir sympathisch, wer unsympathisch? Weshalb?
  • Mit wem würde ich selbst gern diskutieren? Warum?
  • Wer hat wem was vorgeworfen?
  • Wer besaß anscheinend größeres Fachwissen? 
  • Wer hat Beispiele verwendet?
  • Wer hat sich häufiger wiederholt?
  • Welche Aussagen vermitteln eher Interpretationen, welche eher Faktenwissen?
  • Was denkt wer von wem?
  • Wen halte ich für glaubwürdiger, seriöser, vertrauenserweckend? (Von wem würde ich eher einen Gebrauchtwagen kaufen?)
(Diese Liste läßt sich natürlich noch beliebig erweitern. Z.B.: Welche Frage fällt mir noch ein?)

Mein Vorschlag:
Man verwende das vorgeschlagene Modell, setze die unterschiedlichen Beteiligten (in der Realität) an die im Moment am passendsten erscheinende Position im Modell und gehe die oben angebotenen Fragen der Reihe nach durch.
… und bedenkt dabei den Satz von Hans Joachim Friedrichs
Ein guter Journalist ist überall dabei, gehört aber nirgendwo dazu.

siehe dazu auch:
- Tendenziöse Attributierung in deutschen Printmedien: Putin vs. Obama – eine linguistische Analyse (Mirjam Zwingli, Hochschule für angewandte Sprachen, Fachhochschule des Sprachen & Dolmetscher Instituts München, 10.10.2012)
Das Objektivitäts-Dogma des Journalismus: Was wollte Hajo Friedrichs wirklich sagen? (Martin Hoffmann, 05.04.2011)
Debatte um Glenn Greenwald: Warum ein Journalist eine Haltung haben darf (Ole Reißmann, SPIEGEL, 28.12.2013)
Journalisten, Aktivisten und Fans – "Ich habe eine Meinung" (Stefan Niggemeier, Journalist 3/2014, 03.03.2014)
Soweit Parolen tragen (Evelyn Hecht-Galinski, Politik im Spiegel, 24.04.2014)
ARD-Desinformation zur Ukraine: Beschwerde beim NDR-Rundfunkrat durch Ex-Tagesschau-Redakteur Volker Bräutigam (Hartmut Barth-Engelbart, 29.04.2014)
Für Russlandhetze im Radio zahlen alle Haushalte (Tonband, Radioforen, 15.05.2014)
- Die nützliche Erfindung der "Pro-Russen" (Stefan Korinth, Telepolis, 16.05.2014)
Friedrichsruh (Vito Avantario, Greenpeace-Magazin, 2-2014)
Gaza, Israel und die Rolle der Medien (David Goeßmann, Kontext, 2014, genaues Datum unbekannt)
Russische Reporter in der Ukraine: "Das ist mein Krieg" (Benjamin Bidder, Moritz Gathmann, SPIEGEL, 19.06.2014); siehe auch die Kommentarseite 12/24
- Ihr Geschäft: Manipulation und Propaganda, ARD-Korrespondentin Golineh Atai (Spiegelkabinett, 05.08.2014)

Dämonisierung Rußlands und Idealisierung der USA [12:20]

Veröffentlicht am 11.12.2014

Medien und Gesellschaft – Der Einfluss der Eliten (Interview mit Uwe Krüger, verdi, 5-2014)
Vortrag für die Abschlussfeier von Bachelor-Absolventen der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Frank Buchwald, Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft, 25.10.2014)
Glückwünsche an Preisgewinnerin Golineh Atai (Nutzerbeitrag von Verwendungszweck, der Freitag, 27.10.2014)
ARD/ZDF: Atai mit Bandera-Losung (Hinter der Fichte, 28.10.2014)
Vom Verlust der Grautöne (Hasso Mansfeld, The European, 29.10.2014)
Beruf: Reporter – Die Arroganz des Wortes (Cordt Schnibben, Neue Zürcher Zeitung, Folio, Oktober 2014)
Medienkritik – Zweierlei Maß (Rüdiger Göbel, junge Welt, 13.12.2014)

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