Mittwoch, 26. November 2014

Wider den öffentlichen Dialog mit Russland – Unsere Bundesmama und zwei ungehorsame Kinder

Platzeck habe ich immer für ein Weichei gehalten. Das ist bei mir jemand, der so wachsweiche Positionen vertritt, die alle gut finden und jeder Konflikt meilenweit umschifft wird. Ich muss sagen, das hat sich nach diesem Interview geändert. Er hat die Meute, die der Monstranz “Unsere Ukraine” hinterherlaufen, verlassen. Während der Bundeswarner vor einer dauerhaften Abspaltung der Ostukraine warnt, schlägt Platzeck genau das vor.
mehr:
- Steinmeier raus, Platzeck rein – nicht umgekehrt (altermannblog, 24.11.2014)
siehe dazu:
- Russland-Politik: Merkel bootet Platzeck aus (SPIEGEL, 22.11.2014)
Kanzlerin Merkel will Kritikern von Russlands Präsident Putin mehr Raum im Petersburger Dialog geben. Nach SPIEGEL-Informationen will die CDU-Chefin dafür auch die enge Verbindung mit dem Deutsch-Russischen Forum von Matthias Platzeck kappen.


Petersburger Dialog:
Im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine 2014 wurde wiederholt Kritik an der Veranstaltung und an der Besetzung des deutschen Lenkungsausschusses geäußert. So erklärte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Andreas Schockenhoff der Petersburger Dialog sei kein unabhängiges Gesprächsforum mehr, Kritiker der russischen Regierung würden dort nicht mehr zu Wort kommen.[1] Nachdem im Oktober 2014 mehrere Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus Deutschland erklärt hatten, am Petersburger Dialog 2014 in Sotschi nicht teilzunehmen, wurde die Veranstaltung zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses Lothar de Maizière bedauerte diese Entscheidung.[2] In einem offenen Brief vom 13. Oktober 2014 wies Lothar de Maizière darauf hin, dass die Peterburger Gespräche „genauso Realismus wie intellektuelle Disziplin (bedingen), wozu auch gehöre zu verstehen, wie Russland die Probleme versteht. Dies – und nicht Gesprächsverweigerung – sei die Voraussetzung, um auf allen demokratischen gesellschaftlichen Ebenen – vom politischen Machtzentrum bis in die Randgruppen hinein – problemorientierte Gespräche führen zu können. „Dabei darf keine Seite für sich in Anspruch nehmen, legitimere Interessen zu vertreten als die andere.“[3]
Am 19. November 2014 wurde de Maizière nach eigener Darstellung vom Kanzleramt „mit der Bitte bedrängt“, auch die für Ende November geplante Mitgliederversammlung „wegen der politischen Goßwetterlage“ abzusagen.[4] In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisierte de Maizière die Politik der Bundesregierung. Merkels Strategie, an der „Sanktionsschraube gegen Putin weiterzudrehen“, sei nicht zielführend. Sanktionen lägen nach seinem Eindruck im amerikanischen, nicht im europäischen Interesse.[5]
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete am 22. November 2014 von einem Eckpunktepapier, das von Kanzleramt und Auswärtigem Amt unterstützt wird. In ihm wird gefordert, der Petersburger Dialog müsse „auch Raum für die kritische Auseinandersetzung mit der russischen Politik geben“. Kanzleramt und Auswärtiges Amt sähen keine Möglichkeit, dass unter der Führung de Maizières eine Reform erfolgreich sein könne. In Zukunft sollten die zivilgesellschaftlichen Organisationen stärker in der Mitgliederversammlung vertreten sein. Eine neue Satzung soll erstellt und ein neuer Vorstand gewählt werden. Die Anbindung an das Deutsch-Russische Forum soll beendet werden, da es in beiden Gremien große personelle Überschneidungen gibt: Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft ist stark vertreten. Das Papier wurde von Andreas Schockenhoff, Marieluise Beck, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Heinrich-Böll-Stiftung verfasst.[6] Im Rahmen der Reform soll der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck an Einfluss in dem Forum verlieren. Dieses Zugeständnis habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am 19. November 2014 „abgerungen“.[7]  (Petersburger Dialog, Umgang mit der Ukraine-Krise, Wikipedia, Hervorhebung von mir)

Falls es jemand nicht mitbekommen hat: Das Kanzleramt hat de Maizière gebeten auch die Mitgliederversammlung des Petersburger Dialogs abzusagen. 
Der Petersburger Dialog wird anästhesiert, und das Deutsch-Russische Forum aufs Abstellgleis geschoben.
Was waren das nochmal für westlichen Werte, die wir verteidigen wollten?

Streit um Petersburger Dialog – Lothar de Maizière verteidigt sich (Tagesspiegel, 14.10.2014)
Nach der Absage des Petersburger Dialogs greift Cheforganisator Lothar de Maizière nun die Kritiker des Treffens an. Hinter den Kulissen geht es bereits um seinen Job.
Der deutsche Cheforganisator des Petersburger Dialogs, Lothar de Maizière, hat nach der Absage des Treffens im russischen Sotschi die Kritiker angegriffen. Mehrere Nichtregierungsorganisationen, darunter die Heinrich-Böll-Stiftung und der Deutsch-Russische Austausch, hatten zuvor ihre Teilnahme an dem deutsch-russischen Gesprächsforum abgesagt. Als Grund nannten sie die Rolle Moskaus im Ukraine-Konflikt und die Repressionen gegen Russlands Zivilgesellschaft. Er bedaure die Entscheidung, betonte der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs.„Denn es entspricht der Überzeugung der meisten Mitglieder des Vorstandes und des Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs, dass gerade angesichts zweifellos vorhandener Probleme für die Zivilgesellschaft (..) die offensive Auseinandersetzung zu solchen Themen gesucht werden muss“, schreibt de Maizière in einem offenen Brief an die Nichtregierungsorganisationen. „Indem man sich solchen Gesprächen entzieht, schadet man den Interessen der Betroffenen.“


- Dialog mit Russland – »Petersburger Dialog« auf Druck des Kanzleramts verschoben (Frankfurter Allgemeine, 20.11.2014)
- Der Westen und Rußland: Sprachlosigkeit? Welche Sprachlosigkeit? (Post, 19.11.2014)


Es ist die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns. Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen zerstört.  
Das hat natürlich nichts mit Demokratie gemein. Weil Demokratie bekanntermaßen die Herrschaft der Mehrheit bedeutet, unter Berücksichtigung der Interessen und Meinungen der Minderheit.  
Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet, sondern überhaupt unmöglich ist. […] das Modell selbst erweist sich als nicht praktikabel, weil es selbst keine Basis hat und nicht die sittlich-moralische Basis der modernen Zivilisation sein kann.
Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz (09.-11.02.2007, Wortprotokoll auf der Seite der AG Friedensforschung der Universität Kassel)

Borniertheit (Wiktionary)
Im engeren Sinn nennt man jemanden borniert, der übermäßig von sich und seinen Ansichten überzeugt ist und andere Ansichten und Argumente ignoriert.


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