Mittwoch, 3. September 2014

Die westlichen Werte stehen auf dem Spiel

Auf dem Maidan starben sie für jene Werte, die die EU selbst nicht mehr ernst nimmt. Der Westen hat Putins Aggressionen zugelassen – und ihm zum Sieg verholfen. Bundespräsident Joachim Gauck hat daher recht, wenn er ein stärkeres militärisches Engagement fordert
mehr:
- Die westlichen Werte stehen auf dem Spiel (Judith Hart, Cicero, 03.09.2014)

mein Kommentar:
Frau Hart schreibt, der Westen habe Putins Sieg zu verantworten, weil er dessen Aggressionen zugelassen habe. 
Was kann man auf solch eine Kausalitätsverknüpfung (Putins Aggression => Untätigkeit/Duldung des Westens => Putins Sieg) antworten? Aufzählen, daß die Einflußnahme der EU und der USA ebenfalls aggressiv war? Daß sich die Regierung in Kiew dem Osten gegenüber seit vielen Jahren aggressiv verhält, indem sie nur noch eine Amts- und Unterrichtssprache zuläßt, obwohl 20 Prozent der Bevölkerung (der gesamten Ukraine, in »Neurussland« liegt der Prozentsatz natürlich wesentlich höher) russisch spricht?
Wenn Hart schreibt, Putin habe trotz aller diplomatischen Bemühungen stur weitergemacht, was kann man da antworten? Daß die Faschisten mit der ethnischen Säuberung, mit dem Beschießen von öffentlichen Gebäuden, mit ihren Propagandalügen auch einfach weitergemacht haben?
Wenn Hart schreibt, Putin wolle kein funktionierendes westliches Land an seiner Grenze, weil die Gefahr zu groß wäre, daß sich die Leute fragen, ob Russland nicht ebenso geeignet für die Demokratie wäre wie die Ukraine? Was kann man da entgegnen? Ukraine für die Demokratie geeignet? Was ist die offizielle Sprachregelung der deutschen Gutmenschen? Hat man die ganze Welt für demokratiegeeignet zu halten oder landet man in der Rechtsaußen-Ecke, wenn man das bezweifelt? Bin ich dann kein guter Mensch mehr, wenn ich der Ukraine, Russland, China oder den arabischen oder den afrikanischen Staaten die Demokratiefähigkeit abspreche? Wie kann ich meine Überzeugung begründen, daß Putin sehr wohl ein Interesse an einer funktionierenden Ukraine hat – gleich unter welchem System?
Dass viele Ukrainer genau das wollten: weniger Korruption, mehr Rechtsstaatlichkeit, weniger „System Putin“ und mehr EU – das schienen viele Europäer nicht zu verstehen, die standhaft weiter glauben wollten, dass auf dem Maidan Faschisten herrschten.
Was soll man auf eine solche Unterstellung antworten? Weniger Korruption = weniger System Putin? Was ist das für eine Logik, frage ich mich. Kämpft Putin denn nicht ebenfalls gegen Korruption? Was sind denn das für Werte, für die die Europäische Union steht? NSA-Skandal, einseitige, falsche, aufgeregte und kurzsichtige Schuldzuschreibungen, Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder?
Wesentliches Merkmal kriegerischer Auseinandersetzungen ist das Zerbrechen von Kommunikation. Dem kann man nur schulterzuckend zusehen, genauso, wie ich bei Paarkonflikten schulterzuckend zusehen muß, wenn jede Partei auf ihrer Sichtweise, auf ihrer Interpretation des Geschehens beharrt.
Wenn Gauck sagt:
»Weil wir am Recht festhalten, es stärken und nicht dulden, dass es durch das Recht des Stärkeren ersetzen wird, stellen wir uns jenen entgegen, die internationales Recht brechen, fremdes Territorium annektieren und Abspaltung in fremden Ländern militärisch unterstützen. Deshalb stehen wir ein für jene Werte, denen wir unser freiheitliches und friedliches Zusammenleben verdanken. Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen.«
dann ignoriert er die über Jahre fortgesetzte Ost-Erweiterung, dann ignoriert er das Verhalten der Regierung in Kiew der Ost-Ukraine gegenüber. Dann ignoriert er die Verantwortlichkeit der Oligarchen für das korrupte System in der Ukraine, dann ignoriert er Putins Kampf gegen die russischen Oligarchen. Und dann frage ich mich, was denn die Werte sind, denen wir unser freiheitliches und friedliches Zusammenleben verdanken.
Ich kann solchen Menschen nichts sagen, weil ich nicht glaube, daß sie dazu bereit sind, ihre Sicht der Dinge infrage zu stellen. Wer stellt sich einem Staat entgegen, der 5 Milliarden Dollar in einen System-Wechsel investiert? Wie muß ein Geist beschaffen sein, daß er das Handeln des Einen ignoriert, die Reaktion darauf aber sanktioniert?
Der evangelisch-lutherische Pastor Gauck fordert militärische Anstrengungen? Das ist verkehrte Welt!

Man lese sich die Kommentare zu dem Artikel durch!
siehe auch:
- Das Ende der Demokratie? (Carsten Börger, Psychologie Online, 22.10.2014)

Noam Chomsky and Kade Crockford Discuss Terrorism and Civil Liberties [1:26:00]

Veröffentlicht am 28.01.2015


Just as Dzhokhar Tsarnaev faces the beginning of his trial for the bombing of the Boston Marathon, Paris shakes from the assassination of French magazine satirists. “A New Era of Terrorism” has commenced, according to The New York Times. Governments emit loose talk of “fundamental values.” Patriotic slogans such as “Boston Strong” paper over global anxiety, as everyone prepares for further massacres and retributions. Welcome to the new world order.

In this light, The Baffler magazine sponsored a neighborhood forum on the war on terror and the rule of law. Noam Chomsky, author of 9/11, and Kade Crockford, director of the ACLU of Massachusetts’ Technology for Liberty Project, for a discussion moderated by Baffler editor John Summers in the heart of Inman Square—the very neighborhood in which Dzhokhar and his alleged co-conspirator and older brother, Tamerlan Tsarnaev, lived, worked, shopped, and worshipped among us.

(Image: Jane Flavell Collins / AP)
 



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